Heute traf ich den Geist der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft, an einem Tag, in Korea, in Seoul.
Nachdem der Regensturm sich schliesslich nachmittags zu einem Sonnensturm wandelte, beschloss ich kurzentschlossen um 5 Uhr doch noch ein bisschen was zu erleben in der kurzen Zeit, die mir hier noch bleiben sollte. Also beschloss ich nach Dogok zu fahren, wo ich immer mal hinwollte, um es mir selbst anzuschauen. Da es aber ziemlich abgelegen aussah und es ausser Wolkenkratzern nichts zu sehen gibt dort, habe ich es bisher immer gelassen. Doch heute sollte es sein und ich begab mich auf den Weg an den suedlichen Stadtrand Seouls. Doch zu meiner Ueberraschung dauerte es mit der U-Bahn gerade einmal 25 Minuten bis Dogok. Dort treffen sich 2 U-Bahnlinien, die 3 aus dem Norden und die Bundang-Linie, die die reichen Vororte abklappert. Jedenfalls ist der Bahnhof ein echter Witz. Ich war 4-Tiefgeschosse gewohnt, einmal auch 5, aber dieser Bahnhof hatte allen ernstes 6-Tiefgeschosse! Und 4 Stockwerke davon waren einfach da, um die Menschen weiter ins Innere der Erde zu befoerdern. Ich glaube Bundang heisst auf koreanisch einfach "Erdmittelpunkt" und wenn man den falschen Ausgang erwischt, ist man ploetzlich in Afrika ^^
Jedenfalls nahm ich den richtigen Ausgang und war in der Zukunft. Es gibt ja viele Orte an denen Korea "so aussieht wie" Tokyo, London, Paris, New York, aber einen Ort wie Dogok kann es nirgendwo sonst auf der Welt geben, weil hier naemlich die hoechsten Wohnhochhaeuser der Welt stehen. Meines Wissens nach die 3 oder 4 hoechsten, auf einem Platz, der ungefaehr dem Potsdamer Platz entspricht von der Groesse, nicht aber von der Hoehe. Jedenfalls war das erste, was ich sah die Tiefgarage des zweithoechsten Gebaeudes. Die Anzeige "B6" in Verbindung mit "Free 861" sagte mir, dass eine ganze Menge Menschen in diesem Gebaeude wohnen muessen. Als ich nachzaehlte, kam ich auf laecherliche 58 Stockwerke, es koennen aber auch mehr gewesen sein. Jedenfall stehen drei davon nebeneinander in einem Park komplett mit Einkaufszentrum und Untergrundpassage. Die Strasse selber, und das Viertel besteht genau genommen aus hoechstens 6 Strassen, besteht aus ca. 10 oder 12 solcher zwischen 40 und 60 (oder eben 58) Stockwerke hohen Gebaeude und wird durch Passagen dazwischen gekennzeichnet. Die Menschen kommen aus den Katalogen, selbst auf der Strasse stehen nur Mercedes und BMW (eines der wenigen Felder neben Haushaltsgeraeten, wo Deutschland hier fuehrend ist). Und die Geschaefte und Restaurants sprechen auch fuer sich: Englisch-Schulen, Schoenheitskliniken, Friseure, Brasserie, Patisserie, Konditorei, Bistro, Rechtsanwaelte und ein Haufen Banken....Das hier ist die Zukunft und ich habe mich an keinem Ort in Korea so unwohl gefuehlt wie hier. Das ist einfach nicht Korea. Keine Strassenimbisse, Parken in Parkbuchten, NUR reiche Leute, kein Laerm (TOTENSTILLE), nur leise Pianomusik, westliche Autos....SOGAR DIE AMPELN WAREN ABGESCHALTET WEGEN ZU WENIG VERKEHR.....
Schnell beschloss ich hier abzuhauen.
So sprach der Geist der Zukunft....
Und dann sollte ich eine der besten Entscheidungen treffen, die ich je in Korea traf. Ich hatte auf dem Weg nach Dogok in einem neuen Buch gelesen, dass Park Chung Hee in Seoul auf dem Nationalfriedhof in einem Ehrengrab begraben liegt. Ich wollte immer mal auf den Nationalfriedhof, aber ich wusste nicht, dass ER dort sein Plaetzchen hat. Genau genommen suche ich seit Jahren nach einer Gedenkstaette fuer ihn. Jedenfalls war es inzwischen schon kurz vor 7 und die Daemmerung hatte bereits eingesetzt als ich in Dongjak ankam, wo uebrigens...genau....die Linie 9 gerade gebaut wird. Inzwischen habe ich herausgefunden, dass die Linie 9 eine Express-U-Bahn wird, die wohl die wichtigsten Knotenpunkte der Stadt miteinander verbindet und nicht so eine Juckel-U-Bahn wird, die alle paar Strassen anhaelt. Sehr gute Idee. Dazu wird ja im Moment auch noch in Kangnam die Monorail gebaut...Transrapid in klein, um die grossen Alleen zu entlasten.
Doch zurueck zu Dongjak. Tatsaechlich kam ich an und fand mich vor verschlossener Tuer wieder. Nur zwei Soldaten sah ich, die am Eingang Wache hielten. Da ich hier gelernt habe, dass Auslaender immer gut behandelt werden und ich mit koreanisch fast immer weiterkomme, probierte ich auf gut Glueck ein "Guten Tag, darf ich hineingehen, auch wenn bereits geschlossen ist" Und er laechelte mich an, lobte mich fuer mein Koreanisch und rief seinen Vorgesetzten an und gebot mir zu warten. Also wartete ich ein paar Minuten. Und dann kam wieder so ein Moment, den ich niemandem glauben wuerde.....
Ein Auto fuhr vor, drinnen ein weiterer Soldat und zwei aeltere Herren. Nach der ueblichen Begruessung, fragte er, wo ich hinmoechte. Ich sagte Park Chung Hee und sein Gesicht hellte sich noch einmal bedeutend auf. Im Prinzip sagte es "Sogar ein Auslaender respektiert unseren Fuehrer nur die undankbare Jugend ist so ignorant", zumindest las ich das aus seinem zufriedenen Laecheln. So fuhren wir also an unzaehligen Grabfeldern entlang (jedes der vielen tausend Graeber blumengeschmueckt als Ehre fuer die Toten) einen Huegel hinauf und irgendwann war ich tatsaechlich dort. Einer der beiden begleitete mich die Treppen hinauf. Es ist kein Mausoleum, aber auch kein normales Grab. Zwei lange Treppen geht es hinauf, dann ist man am obersten Grab des gesamten Friedhofs (ein Schelm wer Absicht dahinter vermutetet ^^) und dann stehen dort die beiden in eine Marmorumfassung gebetteten Grabhuegel. Der linke von Park Chung Hee, geschmueckt mit den Emblemen des Praesidenten, der seiner Frau nur mit der Mugunghwa.
Davor ein einfacher Topf mit Raeucherstaebchen und ein Gefaess, wo man sie reinsteckt. So zeigte mir der Mann, wie man ihm in Korea saekular die Ehre erweist und ich tat es. Redet ueber den Mann, was ihr wollt, ich habe ihm Respekt gezollt. Als ich mich umdrehte, sah ich in der Ferne den Namsan Tower und das Zentrum Seouls in der Daemmerung....
Am Ende sagte mir der Typ noch, dass er den Auslaender eigentlich wegschicken wollte und er Feierabend hat, aber als der Soldat meinte, dass ich koreanisch kann, kam er extra raus.........
Danach fuehrte es mich jedoch nach Myongdong, wo ich um 8 mit Eun-Son verabredet war und ich den lautesten, ueberfuelltesten Sonntagabend meines Lebens verbrachte. Es ist immer noch Myongdong-Festival und heute waren noch mehr Leute da als gestern. Musik von drei Buehnen gleichzeitig, die Ohren bluteten ^^
Eun-Son, mit der ich mich inzwischen sehr schoen ausgesprochen habe und wir das alles unter kulturelle Missverstaendnisse abgehakt haben, und ich hatten dann noch einen sehr schoenen Abend mit draussen gekauftem Essen in meinem Apartment und jetzt habe ich sie zum Bahnhof gebracht und wir haben uns verabschiedet..........................................................................
Ich will hier nicht weg. Jeder Tag, und mag er noch so beschissen anfangen, wird hier wundervoll und interessant und sei es nur dadurch, dass man Menschen kennenlernt und mit vielen Menschen redet.
Und in weniger als 13 Stunden wird alles zuende sein :(
Ich muss jetzt packen -.-